Fabrikbahnen [1]

[528] Fabrikbahnen (Industriebahnen), solche Gleise, die nur den Zwecken gewerblicher Anlagen, nicht dem öffentlichen Verkehr dienen, mithin sich durch Privatanschlüsse von den öffentlichen Bahnen abzweigen.

Goering.


Die Fabrikbahnen bilden ein einflußreiches Hilfsmittel zur Verringerung der Entstehungskosten eines Fabrikates durch Erhöhung der Leistungsfähigkeit infolge Beschleunigung der Arbeiten. Vgl. Massentransport.

Wenn eine Fabrikbahn täglich nur den Lohn für einen Arbeiter im Betrage von 2,50 ℳ. sparte, so würde diese jährliche Ersparnis von 750 ℳ., mit 5% kapitalisiert, eine Anlage von 15000 ℳ. gestatten; im allgemeinen ist die Ersparnis an Arbeitslöhnen viel höher. – Die Fabrikbahnen sind gleislos oder mit Schienengleisen ausgestattet, letztere werden bodenständig bezw. auf Gerüsten oder schwebend (Seil- oder Schwebebahnen, s.d.) angeordnet. Betrieb durch Menschen, Zugtiere, Seil oder Kette (s. Seilbahnen und Kettenbahnen), Dampf- [1], Benzin-, Spiritus-, Petrol- u. dergl., Druckluft- oder elektrische Lokomotiven [2]. Da Drehscheiben [3] und Schiebebühnen im Interesse der Stetigkeit des Betriebes möglichst zu vermeiden sind, so werden kleine Krümmungshalbmesser der Kurven angestrebt (bei Hunt-Pohlig nur 3,66 m bis Mitte des 546 mm-spurigen Gleises; zu dem Zweck sitzen die Spurkränze außen und die äußere Kurvenschiene ist so geformt, daß das äußere Rad auf dem Flansch läuft, während das innere Rad auf dem Kranz rollt [Fig. 1; Kegellauf]).

Den Bau von Fabrikbahnen übernehmen Friedr. Krupp, A.-G., Essen; Hörder Bergwerks- und Hüttenverein; A. Koppel, Berlin, sowie für Schwebe- oder Luftbahnen A. Bleichert & Co., Leipzig; J. Pohlig, A.-G., Köln, u.a. Ueber die Einschaltung von selbsttätigen Rollbahn- und Hängebahnwägevorrichtungen s. [4].

Vorteile gleisloser Wagen (Fig. 2 und 3) [5] gegenüber Schienenwagen: Fortfall der teuren Schienenanlage, Beseitigung der Gefahr, die bei vorstehenden Schienen vorhanden ist, oder bei eingelassenen Schienen Fortfall der Schmutzrinnen, größere Bewegungsfreiheit; werden die Wagen nicht gebraucht, so können sie leicht in eine Ecke geschoben werden [6]. Während aber ein Arbeiter mit der Schubkarre etwa 75 kg und mit der zweiräderigen Kippkarre auf ebenem Boden 200–250 kg in 3 Minuten 200 m weit, also in 1 Stunde mit Rückweg 150 kg mit der Schubkarre und 400–500 kg mit der Kippkarre 1 km weit fortbewegen kann, ist er (nach Krupp) imstande, auf gut gelegtem Bahngleis mittels zweckmäßig gebauter Wagen in derselben Zeit 1800–2000 kg auf dieselbe Entfernung fortzubewegen. Ein Pferd zieht auf ebenem Acker- oder Sandwege 400–500 kg, auf gutem Feldwege 750–900 kg und auf ebener[528] Chaussee 2000–2300 kg; auf Schienengleisen vermag ein Pferd, ohne sich übermäßig anzustrengen, Latten bis zu 10000 kg denselben Weg um ein Drittel schneller als auf der Chaussee fortzubewegen. – Lokomotiven befördern je nach ihrer Größe 50000–100000 kg mit einer Geschwindigkeit von 12–15 km in der Stunde.

Vorteile von schwebenden Fabrikbahnen (Fig. 4–7) [7]: Die Bodenfläche unterhalb der Bahn bleibt vollständig frei oder wird von ihr nur wenig in Anspruch genommen; Unabhängigkeit des Betriebes von Witterungseinflüssen, große Sicherheit für den übrigen Verkehr und gute Anpassungsfähigkeit an örtliche Verhältnisse (Unebenheiten des Bodens u.s.w.), geringe Anlage- und Betriebskosten. Nachteile: Seitliche Schwankungen (Wind, Kurven) nicht völlig zu vermeiden; zuweilen Unzugänglichkeit der Wagen außerhalb der Stationen. – Einzellasten von 300–1200 kg (günstigste Verhältnisse bei 500–700 kg); ein Arbeiter schiebt einen Wagen von 1000–1200 kg. Bei Elektrohängebahnen [8] Fahrgeschwindigkeit 0,5–2 m/sec. – Ueber Gleisführung u.s.w. von Fabrikbahnen s. [9]. Die Betriebsmittel, insbesondere auch die Wagen, sind entsprechend den verschiedenen Sonderzwecken überaus vielgestaltig (vgl. übrigens auch Krane und [10]).


Literatur: [1] Buhle, Technische Hilfsmittel zur Beförderung und Lagerung von Sammelkörpern (Massengütern), Berlin 1906, 3. Teil, S. 26 ff., bezw. Dinglers Polyt. Journ. 1904, S. 745 ff. – [2] Ders., ebend., S. 47 ff., bezw. Dinglers Polyt. Journ. 1904, S. 156 ff. – [3] Ders., Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Industrie- und Gewerbeausstellung zu Düsseldorf 1902, Berlin 1903, S. 43 ff. – [4] Ders., Technische Hilfsmittel u.s.w. (s. [1]), Berlin 1904, 2. Teil, S. 142 ff. – [5] Ders., Technische Hilfsmittel u.s.w., Berlin 1906, 3. Teil, S. 83 ff. – [6] »Hütte«, 19. Aufl., 1. Teil, Abschn. VI (Buhle), S. 1230 ff. – [7] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingen. 1900, S. 1097. – [8] Ebend. 1904, S. 1719 ff., sowie Elektr. Bahnen, 1904, S. 157 ff. – [9] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingen. 1904, S. 522 ff., insbesondere S. 655 ff. (Möller). – [10] Buhle, Technische Hilfsmittel u.s.w., Berlin 1906, 3. Teil, S. 4, 31, sowie Dinglers Polyt. Journ. 1904, S. 578 ff., 753 ff.

M. Buhle.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4–7.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4–7.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 528-529.
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Lueger-1904: Fabrikbahnen [2]